Anke Domscheit-Berg: Was Frauen wollen

alumni domscheit

Anke Domscheit-Berg
Unternehmen: Microsoft
Abschluss: BA International Business Administration

Anke Domscheit-Berg wurde in diesem Jahr mit dem Berliner Frauenpreis 2010 ausgezeichnet. Die ehemalige Unternehmensberaterin (Accenture, McKinsey) arbeitet heute in führender Position für Microsoft. Ihr zentrales Thema ist „Government 2.0“.

Was hat sie bewogen, ein Studium an einer privaten Hochschule zu beginnen? Das war in den 90er-Jahren sicher mehr ungewöhnlich.

Ich hatte in der DDR schon einmal studiert und habe deshalb auch keinen Anspruch mehr auf Bafög gehabt. Ich musste also erst einmal Geld verdienen, um mir ein zweites Studium leisten zu können. Ich habe fast 3 Jahre gearbeitet – dann war ich schon 25 Jahre alt. In der DDR begann man den Berufseinstieg mit 22 Jahren, ich fühlte mich also schon vor dem Studium an der Accadis Business School relativ alt. Jetzt noch einmal 5 oder 6 Jahre lang zu studieren, konnte ich mir nicht vorstellen, dann wäre ich über 30 Jahre alt gewesen. Ich wollte einen schnellen und einen guten Abschluss und ich wollte eine Qualifikation, die mir durch ihre Qualität einen Arbeitsplatz und Entwicklungsmöglichkeiten garantierte. Die Ausbildung sollte praxisnah sein und eine internationale Komponente haben. Alles das fand ich in der Accadis Business School. Es war für mich schwer, das Geld dafür aufzutreiben, ich musste auch nebenbei weiter arbeiten, aber ein längeres Studium hätte mich unterm Strich noch mehr gekostet – so habe ich ja 3 Jahre früher Geld verdient und viel schneller Karriere gemacht.

Welchen ersten Eindruck hatten Sie von der accadis?

Ehrlich gesagt, mein erster Eindruck war, dass dies eine Schule für Wohlhabende ist, ich glaube ich war die einzige, die sich komplett selbst finanziert hat. Ich befürchtete, dass man hier Zeugnisse kaufen kann, aber wurde schnell eines Besseren belehrt. Der Anspruch war sehr hoch und gute Noten gab es nur für gute Leistung. Ansonsten erinnerte mich viel an mein Kunststudium in der DDR – kleine Klassen, ein eher verschultes Studium, wenig Ferien, hohe Anforderungen und viele Aufgaben nebenbei für alle möglichen Projekte. Ich war auch die erste Studentin aus der ehemaligen DDR, der Mauerfall lag erst 4 Jahre zurück. Mir sind hier und da Vorurteile begegnet, die mich einerseits aufregten, andererseits aber auch eine Motivation dafür waren, beste Leistungen zu erbringen.

Was waren für Sie zum damaligen Zeitpunkt die relevanten Unterschiede zwischen einer privaten und einer öffentlichen Hochschule?

Westdeutsche Universitäten kenne ich ja nicht wirklich von innen, aber mein Eindruck war, dass dort alles unkoordinierter abläuft, Hörsäle überfüllt sind, Studenten auf Gängen sitzen, ein Studium ewig dauern kann und die Qualität der Lehre sehr unterschiedlich ist. Dazu kommt ein Bild von Praxisferne und mangelndem Austausch mit anderen Ländern. Sicher war das auch eine Ansammlung von Vorurteilen und sind die Unterschiede zwischen einzelnen Universitäten sehr groß, aber ich wollte einfach auch keine Zeit verlieren und auf Nummer Sicher gehen.

Wo sehen Sie im Rückblick die Vorteile der accadis?

Es waren genau die Vorteile, die ich erwartet hatte. Ein sehr schnelles Studium, mit dennoch hohem Anspruch. Ein effektives Lernumfeld, keine verlorenen Zeiten, hinreichend Flexibilität für individuelle Anforderungen. So wollte ich gern drei Fremdsprachen studieren und bekam diese Möglichkeit. Ich wollte auch schneller Spanisch lernen und konnte dann zwei Kurse gleichzeitig besuchen, den für Anfänger und den für Fortgeschrittene.

Ich habe in 2 Jahren fließend Spanisch gelernt und konnte die höchste Prüfung der spanischen Handelskammer mit „Sehr gut“ ablegen. Woanders hätte ich das nie schaffen können. Ohne Frau Ramirez jedoch auch nicht, sie ist garantiert die beste Spanisch-Lehrerin der Welt. An der accadis lernte ich auch Kompetenzen, die an Universitäten zumindest damals noch nicht ausgebildet wurden – Präsentationstraining, Projekte planen und durchführen, Computertraining. Alles das hat mir später sehr viel genützt.

Welche Schwerpunkte haben Sie während Ihres Studiums gesetzt?

Ich habe internationale Betriebswirtschaft studiert – das Internationale war mir daher besonders wichtig. Neben den Sprachen war das Fach „Internationale Wirtschaftsbeziehungen“. Das für mich entscheidende Fach war jedoch VWL bei Prof. Dr. Meyer-Thoms. Er hat mich denken gelehrt. Wir haben wunderbare Diskussionen geführt im Unterricht, lange logische Ketten verfolgt und mit der Zeit wurde ich immer besser in der schlüssigen Ableitung von Aussagen oder dem Widerlegen von Behauptungen. Er hat mich auch zweifeln gelernt – mir beigebracht, dass eine mit dem Brustton der Überzeugung aufgestellte Tatsache noch lange nicht stimmen muss, auch nicht, wenn sie in der Zeitung stand oder im Fernsehen erzählt wurde. Ich lernte, immer selbst zu denken und meine Überzeugung auch gegen eine Mehrheitsmeinung zu vertreten. Das ist mir auch mehr wert, als Formeln in Investition oder Finanzierung gelernt zu haben.

Waren Sie durch das Studium gut auf die berufliche Praxis vorbereitet?

Ja. Und dem kann ich auch nichts hinzufügen.

Welche Verbindungen haben Sie aktuell noch zu Ihrer Hochschule?

Ich bekomme regelmäßig Emails über den Alumniverteiler und lese immer, was so passiert in der Alma Mater. Hin und wieder antworte ich auf die Mails. Ich habe auch noch ab und an Kontakt zu Kommilitonen, auch wenn wir uns auf Deutschland, Europa und den Rest der Welt verteilt haben. Als ich noch im Rhein-Main-Gebiet wohnte, habe ich noch den einen oder anderen Europatag besucht. Seit ich in Berlin lebe, hat das nicht mehr geklappt. Ich fühle mich der Hochschule jedoch immer noch verbunden.

Würden Sie heute wieder ein Studium an der accadis beginnen?

Unter den gleichen Rahmenbedingungen würde ich das sicher wieder tun – und anschließend einen Masters an einer großen Internationalen Universität im Ausland absolvieren. Ich habe einen Masters of European Business Administration in Newcastle an der Northumbria University erworben. Das war ein wunderbares Studium, aber wenn ich noch einmal studieren könnte, würde ich nach Cambridge oder Harvard gehen.

Sie engagieren sich seit langem dafür, dass Frauen gleiche Karrierechancen in der Wirtschaft haben wie Männer. Der Berliner Frauenpreis 2010 war jetzt eine große Auszeichnung für Ihre Arbeit. Seit wann ist „Frau und Karriere“ ein Thema für Sie?

Seit ich nach der Geburt meines Kindes vor knapp 10 Jahren an „gläserne Decken“ stieß und feststellte, dass Karriere mit Kind keine Selbstverständlichkeit ist. Ich stand an für die Managerbeförderung in einer Unternehmensberatung und sah Männer mit schlechteren Leistungen an mir vorbeiziehen. Das hat mich für das Thema sensibilisiert. Seit dem beschäftige ich mich damit intensiver, habe mich mit Forschung zu dem Thema befasst, einschlägige internationale Konferenzen besucht, wurde Mitglied in Frauennetzwerken und suchte den Austausch mit anderen Managerinnen. Am Ende wusste ich so viel über die besondere Problematik der gläsernen Decken, dass ich anfing, selbst Workshops zu geben, Artikel zu schreiben und Vorträge zu halten – für Managerinnen und Vorstände, Personalleiter, Mentoren und Mentees. Ich habe ca. 1000 Managerinnen geschult für Unternehmen wie Coca Cola, Fraport, Bosch, Sanofi-Aventis, Merck, Commerzbank, McKinsey oder Axel Springer, im In- und Ausland. Auch an Universitäten habe ich Vorlesungen gehalten, zum Beispiel in Wien oder an der FU in Berlin. Ich habe inzwischen mehr Anfragen, als ich annehmen kann – das mache ich ja überwiegend als Ehrenamt.

Gab es „biografische Wurzeln“ für Ihr Engagement?

Indirekte Wurzeln liegen in meiner ostdeutschen Sozialisierung, ich bin aufgewachsen in einer Welt, in der es völlig normal war, dass Frauen arbeiten und Kinder haben. Ich bin in einer Familie erzogen worden, in der Gerechtigkeit ein hoher Wert ist. Beides hat dazu beigetragen, dass ich selbst den Anspruch hatte, Familie und ein anspruchsvolles Arbeitsleben miteinander zu verbinden und gegen Barrieren zu kämpfen, die diesem Leben im Wege standen. Solche Barrieren habe ich im Laufe meines Arbeitslebens häufiger getroffen aber nie akzeptiert. Vielleicht habe ich auch das durch meine Herkunft in der DDR gelernt – dass sich kämpfen immer lohnt. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.

Wie ist es Ihrer Ansicht nach heute um die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Wirtschaft bestellt?

Gleichstellung gibt es immer noch nicht, auch wenn es Fortschritte gibt. Frauen sind hervorragend ausgebildet, die Erwerbsquote steigt seit Jahren. Aber gleichzeitig nimmt die Teilzeitquote zu – der Frauenanteil am Gesamtarbeitsvolumen ist gesunken, der Gehaltsunterschied beträgt auch bei gleicher Qualifikation 23 % - das heißt, die Leistung von Frauen wird immer noch erheblich schlechter bezahlt. In den Topführungspositionen kommen Frauen immer noch nur in homöopathischen Dosen vor: Der Anteil von Frauen in den Vorständen der 100 größten deutschen Unternehmen liegt unter einem Prozent oder anders ausgedrückt: es gibt eine 99 % Männerquote.

Da Talente und Fähigkeiten unter den Geschlechtern gleich verteilt sind, bedeutet dies nicht nur Ungerechtigkeit und Diskriminierung, sondern auch eine Verschwendung von Ressourcen und ein unökonomisches Verhalten. Viele Topmanager besetzen Positionen eben doch nicht nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, sondern aufgrund von Beziehungen oder schlicht der Macht der Gewohnheit.

Männer fühlen sich am wohlsten unter Männern, Frauen werden häufig als störend empfunden. Sie kommunizieren anders, sie führen anders, sie sehen anders aus. Das irritiert viele Männer und führt zu subtilen Selektionsmechanismen, die Frauen ausgrenzen. Aus diesem Grund hat vor einigen Jahren der norwegische und konservative Wirtschaftsminister Gabrielsen eine 40 % Quote für Frauen in Aufsichtsräten aktiennotierter Unternehmen eingeführt.

Seitdem haben viele Länder in Europa nachgezogen. Quoten wurden beschlossen oder sind geplant in Spanien, Österreich, den Niederlanden und Frankreich. Die Argumentation ist jeweils eine ökonomische, Sigmar Gabrielsen begründete seinen Vorstoß damit, dass sich die norwegische Wirtschaft nicht mehr länger soviel Inkompetenz in Chefetagen leisten kann.

Auch Siemens-Vorstandschef Löscher sieht in der „weißen, männlichen Lehmschicht“ in seinen Führungsetagen eine Bremse für Innovation und Veränderung. Daimler hat sich selbst eine 20 % Quote verordnet und die deutsche Telekom sogar eine Quote von 30 % - für alle Führungsebenen, auch für den Vorstand selbst. Es ist meiner Meinung nach nur eine Frage der Zeit, wann in Deutschland eine gesetzliche Quote dazu führen wird, dass kompetente Frauen ihre Talente auf allen Ebenen voll entfalten können. Dass dies zu höheren wirtschaftlichen Ergebnissen führt, haben zahlreiche Studien u. a. von McKinsey nachgewiesen.

Was waren und was sind Ihre fachlichen Schwerpunkte?

Bevor ich vor zwei Jahren zu Microsoft kam, arbeitete ich in Unternehmensberatungen. Ich war neun Jahre bei Accenture und zwei Jahre im Business Technology Office von McKinsey. Ich habe auf Projekten in der Telekommunikationsindustrie, der Logistik und vor allem im Public Sector gearbeitet, im In- und Ausland. Meine fachlichen Schwerpunkte waren IT-Strategie, IT-Sourcing, IT-Governance, IT-Optimierung für Verwaltungen, eGovernment, Personal Management sowie Public Private Partnerships. Die spannendsten Beraterjahre waren bei McKinsey, wo ich große IT- Strategieprojekte geleitet habe aber auch die Studie „A Wake Up Call for Female Leadership in Europe“ durchführen konnte.

Seit einiger Zeit ist mein wichtigster fachlicher Schwerpunkt „Government 2.0“ – die Nutzung von Web 2.0 Werkzeugen und Methoden für eine andere Interaktion zwischen Bürgern und Verwaltung. Ich sehe hier große Chancen für eine neue und bessere Demokratie in Deutschland – über Partizipation und Transparenz, analog zur Open Government Initiative, die Obama in den USA begonnen hat. Ich habe das Government 2.0 Barcamp 2009 in Deutschland initiiert und bin Gründungsmitglied und Vorstand des Government 2.0 Netzwerk Deutschland e.V., Autorin zahlreicher Beiträge in Fachzeitschriften und Büchern zu Gov 2.0 und blogge auf www.gov20.de zu diesem Thema. Ich habe auch häufig Gelegenheit, als Referentin auf Konferenzen im In- und Ausland zu Government 2.0 zu sprechen oder das Thema mit CIOs auf Bundes- und Länderebene zu diskutieren. Das Interesse daran ist sehr hoch.

Ehrenamtlich bin ich Aufsichtsrätin bei Teachfirst Deutschland, einer gemeinnützigen Organisation, die Topabsolventen von Topuniversitäten gewinnt, um für 2 Jahre an Brennpunktschulen zu unterrichten, bevor sie ihre weitere Karriere verfolgen. Damit werden Bildungsnachteile ausgeglichen, die Kinder mit sozial schwachem Hintergrund in Deutschland mehr als in den meisten anderen Ländern der OECD haben.

Daneben bin ich Botschafterin der Barefoot Colleges in Indien. Dort unterstütze ich insbesondere ein Projekt, bei dem analphabetische Frauen aus Dörfern in Entwicklungsländern zu Solaringenieurinnen ausgebildet werden. Sie solarelektrifizieren danach ihre Heimatdörfer und betreiben dann dort das Solarstromnetz.

Mir war immer wichtig, nicht nur für Geld zu arbeiten, sondern auch etwas dazu beizutragen, dass unsere Welt ein wenig besser wird. 

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